Fremdsein überall? KAPmodern
Wer Neues finden will, begibt sich auf die Wanderschaft, in die Fremde oder das Niegesehene/-Niegehörte. Oft stößt er dabei auf Widerstand, Unverständnis oder gar Ablehnung. Er ist ein Fremdling. KAPmodern widmet sich am 16.5. drei Komponisten, die dies in ihrer Arbeit und ihrem Leben erfahren haben.
Der russische Komponist Alfred Schnittke gilt unbestritten als einer der wichtigsten sowjetischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Sein Werk ist die konsequente Fortsetzung, stilistische Weiterentwicklung und visionäre Fortgestaltung der letzten Kompositionen Dmitri Schostakowitschs. Es entzieht sich jedoch dem Versuch einer eindeutigen Klassifizierung. Wie sein Leben ist es keiner Kategorie und keinem festen Ort zuzuordnen. Als Sohn einer Wolgadeutschen und eines Deutschen jüdischer Abstammung war er in der Sowjetunion stets fremd und isoliert – ein „heimatloser Kosmopolit“, wie er sich selbst nannte. Auch als er in späten Jahren, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, mittlerweile ein anerkannter Komponist, nach Deutschland übersiedelte und dort ein neues Leben begann, war er erneut ein Fremder.
Dass das Leben eine Wanderschaft und der Weg das Ziel sei, dürfte auch dem italienischen Komponisten Giacinto Scelsi ein vertrauter Gedanke gewesen sein. Geboren 1905, verschrieb er sich zunächst der Seriellen Musik und komponierte bis in die 1950er Jahre in diesem Stil. Als Buddhist kannte Scelsi viele Pfade, in „Hyxos“ (entstanden 1955) erklingen sie vor und zurück. „Wiederholung und Erinnerung sind die gleiche Bewegung, nur in entgegengesetzter Richtung“, sagt Kierkegaard. Derlei kann nur Musik.
Wie bei kaum einem anderen Künstler seiner Zeit war Luigi Nonos Arbeit unmittelbar mit der (politischen) Geschichte des 20. Jahrhunderts verbunden. Er war überzeugt davon, dass Kunst eine Utopie sei, sah aber die Notwendigkeit, durch sie ohne Wenn und Aber politisch und gesellschaftlich Stellung zu beziehen, „Zeugnis abzulegen“, wie er es nannte. In der späten Schaffensphase setzte er seinen Schwerpunkt auf die elektronische Musik, „Hay que caminar“ für zwei Violinen ist sein letztes Werk. Es ist zwar kein elektronisches Stück, jedoch greift Nono auf ein „analoges“ musiktheatralisches Element zurück, indem er die Bewegung der Geigen im Raum inszeniert und sich die Schallquellen somit bewegen. Die so entstehenden kreisenden Klänge („suono rotondo“) erzeugen einen ähnlichen Effekt, wie man ihn aus Aufführungen mit elektronischem Instrumentarium kennt.