

Václav Luks
Artist in Residence 22.23
Ganz besonders begrüßen wir den tschechischen Dirigenten und Cembalisten Václav Luks, der für drei Saisons als künstlerischer Partner die Sanssouci-Konzerte kuratieren wird und in dieser Saison Artist in Residence ist. Herzlich Willkommen in Potsdam, lieber Václav!
Begnadeter Hornist, virtuoser Cembalist, charismatischer Dirigent, versierter Musikwissenschaftler und genialer Programmschmied – Václav Luks vereint all diese Fähigkeiten.
Als Gründer und Leiter des Prager Barockorchesters Collegium 1704 und des Vokalensembles Collegium Vocale 1704 zählt Václav Luks seit Langem zu den führenden Dirigenten und Interpreten im Bereich der historischen Aufführungspraxis. Unter seiner Leitung gastieren beide Ensembles auf berühmten Festivals und in bedeutenden Konzertsälen weltweit. Neben weiteren Originalklang-Ensembles arbeitet er auch mit zahlreichen modernen Orchestern zusammen.
„Sein Interesse für die historische Aufführungspraxis ist ein wichtiger Treibstoff für die KAP. Schon seit der Gründung ist das Orchester offen dafür, mit Dirigenten wie Václav neue Interpretationsmöglichkeiten und Werke zu entdecken. Die Zusammenarbeit mit ihm in der Vergangenheit war sehr bereichernd und inspirierend”, so Chefdirigent Antonello Manacorda. Geschäftsführer Alexander Hollensteiner ergänzt: „Václav Luks hat uns mit seiner Begeisterung, einem großen Wissen um die Musik und ihre Praxis, seiner Energie und einem unbändigen Entdeckergeist beeindruckt und wir freuen uns sehr auf die anstehenden Projekte mit ihm.”
In den kommenden drei Saisons kuratiert Václav Luks als Künstlerischer Partner die Sanssouci-Konzerte, in der Saison 22.23 ist er zudem Artist in Residence bei der KAP.
Konzerte mit Václav Luks
Interview
Václav Luks im Gespräch mit Dramaturgin Adriana Kussmaul
Du hast bereits eine lange Verbindung zu Potsdam und Brandenburg. Wie kam es dazu?
Potsdam ist für mich eine lange Geschichte und alte Liebe. Mit etwa zehn Jahren habe ich mein Interesse für die Alte Musik, für die Barockmusik entdeckt und es war für mich das Größte, wenn meine Eltern mit mir alte Schlösser und Burgen besuchten. Das war keine kindliche Romantik, sondern ich habe angefangen, die Geschichte intensiv zu studieren. Wir haben in diesen Jahren regelmäßig Urlaub bei Potsdam gemacht, an einem der wunderschönen Seen Brandenburgs, und natürlich wusste ich, dass auch Johann Sebastian Bach in Potsdam war. So kam es, dass ich den entspannten Familienurlaub gestört habe (lacht), da meine Eltern, anstatt am See zu liegen, mit mir zu allen Orten fahren mussten, die Johann Sebastian Bach und sein Sohn Carl Philipp Emanuel hier in der Region besucht haben.
Auch später habe ich mich mit der Musikgeschichte Potsdams beschäftigt und war immer wieder hier: Als Hornist spielte ich bei einer Oper im Schlosstheater im Neuen Palais, im Nikolaisaal habe ich gemeinsam mit Magdalena Kožená italienische Kantaten aufgeführt und in den letzten Jahren hat mich die Zusammenarbeit mit der KAP immer wieder in diese schöne Stadt gelockt.
Was fasziniert dich an der Potsdamer Musikgeschichte?
Faszinierend ist auf jeden Fall, dass dieses „Städtchen” – im positiven Sinne – eine unglaublich große kulturelle Bedeutung hat. Sanssouci wird ja manchmal mit Versailles verglichen, aber im Grunde hat Potsdam eine viel größere künstlerische Ausstrahlung. Versailles war ein Schauplatz des Königs, sehr offiziell und repräsentativ. In Potsdam hingegen wurde die Kultur, die Musik gemeinsam „gekocht”, da sich viele Musiker*innen aus ganz unterschiedlichen Schulen, Regionen und Stilrichtungen am Hofe Sanssouci versammelten, um ihre „Zutaten” beizusteuern. Das lag natürlich auch an der kulturellen Offenheit von Friedrich II., der zudem den Mix aus französischer und deutscher Kultur liebte. All diese Einflüsse, die in Potsdam aufeinandertrafen, haben der Stadt eine ganz beson- dere Atmosphäre gegeben, die ich wahnsinnig spannend finde.
Du gehörst zu den führenden Interpreten im Bereich der historischen Aufführungspraxis und bist Spezialist für Alte Musik. Wie verstehst du den Begriff „Tradition”?
Tradition ist etwas Großartiges, aber sie kann – wie alle guten Dinge – auch zu einer Last werden. Man darf den Begriff nicht zu starr, zu streng verwenden, sonst wird man ein Gefangener der Tradition. Am Beispiel der Musik von Johann Sebastian Bach kann man das gut nachvollziehen: Zunächst orientierte man sich an der Tradition, wie Bachs Werke seit der Zeit von Felix Mendelssohn Bartholdy gespielt wurden und die Stilistik des 19. Jahrhunderts wurde ins 20. Jahrhundert übertragen. Zunehmend entstanden dann aber Quellenstudien als Basis für die Interpretation von Alter Musik – also die Aufführungspraxis –, die vermitteln sollten, wie man die Musik zu Lebzeiten des Komponisten spielte. Die historische Aufführungspraxis ist sozusagen eine Reaktion auf die Tradition, jedoch sehe ich daraus resultierende Sätze wie „man darf Bachs Musik nur so oder so spielen” als Gefahr. Natürlich muss man Traditionen wahren und schätzen, aber man sollte immer die Freiheit haben, der Intuition zu folgen und die Musik mit neuen, eigenen Farben weiterzuentwickeln. Ich denke, dass man mit jeder Aufführung etwas Neues zeigen und entdecken kann, ohne dabei den Bezug zur Tradition zu verlieren.
Die Brandenburgischen Konzerte gehören zu Johann Sebastian Bachs bekanntesten und meistgespielten Werken. Was bedeuten die Werke für dich persönlich?
Werden sie wirklich so oft gespielt, vor allem alle zusammen (lacht)? Ich habe manchmal das Gefühl, dass die berühmten Klassiker, die jeder kennt, gar nicht so oft aufgeführt werden – Mozarts „Kleine Nachtmusik” wird zum Beispiel so gut wie nie programmiert. Alle sechs Brandenburgischen Konzerte an einem Wochenende zu erleben, ist somit eine Seltenheit – und ein großes Fest. Natürlich ist die Sammlung nicht unbedingt dazu gedacht, dass man sie zusammenspielen muss, für mich bilden die Werke dennoch ein geschlossenes, kontrastreiches und spannendes Universum innerhalb von Bachs Gesamtwerk. Dass man dieses Universum kompakt in zwei Konzerten erforschen darf, wie wir es im Februar 2023 machen, ist für die Musiker*innen, das Publikum und mich ein großes Geschenk.
…und was erwartet uns in den weiteren Konzerten mit dir in dieser Saison?
Das erste Konzert fokussiert sich auf die Potsdamer Tradition, vor allem auf die Sturm-und-Drang-Zeit. Eine Zeit, in der erst- mals versucht wurde, menschliche Gefühle durch Musik aus- zudrücken und zum Klingen zu bringen. War dieser Stil in Deutschland vor allem durch Bachs Söhne sehr ausgeprägt, so gab es auch bedeutende Komponisten in ihrem Umfeld, wie zum Beispiel Christoph Schaffrath oder die Benda-Brüder. Die Musik ist wahnsinnig komplex, kompliziert aber auch bunt und ich finde, dass man aus dieser Zeit sehr viel lernen kann, nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich. Ziel des Pro- gramms soll es sein, die Musik dieser Zeit und das dazugehörige Empfinden zu beschreiben.
Das Programm im Mai 2023 bezieht sich auf Händels Schaffen in Italien. Als Opern-, Oratorien- und Kantatenkomponist war er dort sehr erfolgreich und man nannte ihn „Il caro sassone”, der liebe Sachse. Für mich ist seine Musik aus dieser Zeit sehr faszinierend, weil sie sich von seinen Spätwerken unterscheidet und er dort gelernt und verstanden hat, wie man musikalisch mit der menschlichen Stimme umgeht. Die Freude, die junge Energie und der italienische Spirit stehen dabei im Mittelpunkt.
Die Artists in Residence der KAP
Seit 2015 laden wir für jede Saison einen ganz besonderen Gast zu uns ein: den "Artist in Residence", mit dem wir im Verlauf der Saison verschiedene musikalische Projekte durchführen. Gern probieren wir dabei neue Formate aus oder suchen gemeinsam andere Formen der künstlerischen Inspiration und Weiterentwicklung.
Die Idee, für jede Saison mit einem „Artist in Residence“ zusammenzuarbeiten, entstand aus dem Anliegen, dem Orchester vertiefte künstlerische Begegnungen mit ausgewählten Gästen zu ermöglichen. Unser jeweiliger „Artist in Residence“ kommt im Verlauf einer Saison für verschiedene Projekte und Programme nach Potsdam. Die Auswahl der Kandidat*innen geschieht gemeinsam mit dem Orchester, dem künstlerischen Leiter und der Geschäftsführung. Besonderen Wert legen wir dabei auf Repertoire-Breite, verschiedene künstlerische Facetten, auch einen Wechsel in den Instrumental-Farben, Interesse an Kammermusik und neuen Formaten.
So konnten wir seit der Saison 15.16 so herausragende Künstler wie Veronika Eberle, Kristian Bezuidenhout, Andreas Ottensamer, Steven Isserlis, Jörg Widmann oder Anna Prohaska gewinnen. Bei aller Unterschiedlichkeit ist allen eine große Neugier auf Begegnung gemein, der künstlerische Austausch, die gegenseitige Inspiration, die Lust an Kommunikation. Häufig kann man förmlich spüren, wie sich im Orchester die Energie bei jeder einzelnen Musikerin und jedem Musiker verändert und dadurch wieder neue Ideen und Vorhaben entstehen.
Unsere Artists in Residence
- Saison 15.16: Kristian Bezuidenhout
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Kristian Bezuidenhout, Foto: Marco Borggreve - Saison 16.17: Veronika Eberle
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Veronica Eberle, Foto: - Saison 17.18: Andreas Ottensamer
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Andreas Ottensamer, Foto: Katja Ruge - Saison 18.19: Steven Isserlis
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Steven Isserlis, Foto: Satoshi Aoyagi - Saison 19.20: Antoine Tamestit
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Antoine Tamestit, Foto: Julien Mignot - Saison 20.21: Jörg Widmann
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Jörg Widmann, Foto: Marco Borggreve - Saison 21.22: Anna Prohaska
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Anna Prohaska, Foto: Marco Borggreve